regina huebner, bildende kuenstlerin, wurde von der universitaet aix-marseille eigeladen mit den dortigen zellforschern ein konzeptuelles kunstprojekt zu entwickeln. 17 naturwissenschafter haben sich beteiligt.
mit ihnen arbeitet regina huebner auf der grundlage eines dialoges. sie ersucht die forscher einen brief an ihr untersuchungsobjekt zu schreiben, an die zelle. diese sollte ihnen eine fiktive antwort senden.
waehrend die forscher dikursiv agumentieren, bedient sich die zelle einer bildsprache, die technisch vermittelt wird, mikroskopisch oder elektronisch. fuer die fiktive antwort der zelle bedarf es also einer transformation ihrer visuellen selbstdarstellung in ein verbales systerm. das erhoeht den charakter der fiktion, ist doch die antwort bereits eine spielerisch erahnte mit einem grossen spielraum im mediensprung vom bild oder der formel zum wort.
das beobachtungsfeld des forschers ist vorerst neutral, bisweilen auch durch fremdinteressen bestimmt. mit der fortschreitenden befragung des objektes nimmt diese amikale zuege an. der gegenstand des interesses kann zum gegenstand der begierde werden. das ist die entscheidende mutation am weg zum forschungs-eros.
regina huebner versucht die differenzen zwischen visueller forschung und naturwissenschaftlicher forschung auszuwerten. am beginn stehen beide vor dem unbekannten.
die visuelle forschung geht primaer konstruktiv vor und das mit einem offenen oder weit definierten ziel. sie erzeugt einen gegenstand, den es noch nicht gibt. sie erreicht einen punkt, ab dem sie ihren zu beginn diffusen forschungsansatz konkret materialisieren muss.
die naturwissenschaftliche forschung reflektiert bestehendes, z. b. die zelle und sie agiert vorwiegend retrospektiv.
regina huebner fuehrt diese methodischen ansaetze zusammen in dear cell: durch eine konzeptuelle basis und eine dialog-struktur im briefwechsel.die kuenstlerin beauftragt hochqualifizierte forscher und erwartet eine rueckkoppelung, die zum gegenstand der artifiziellen praesentation wird.
ihr obliegt die konzeption, die ausfuehrung wird an eine fremdinstanz delegiert, den forscher. er argumentiert in seinem brief an die zelle wissenschaftlich und teils amikal. in der fiktiven antwort der zelle argumentiert er teils abseits der fachsprachlichen diktion. dabei erteilt ihm die kuenstlerin keine detailierten handlungsanweisungen. einzig der auftrag zum briefwechsel ist praezis. sie laesst dem forscher lange leine.
die praesentationsform ist die veroeffentlichung von fremdwissen, das sich in der antworrt der zelle ironisch verselbstaendigen kann. sie uebertraegt es in einen kuenstlerisch streng gegliederten raster.
die kuenstlerin kommentiert die forschungsaussagen und den fiktiven reflex in den antwortbriefen nicht.
ein anspruch dieser arbeit regina huebners ist die vergleichbarkeit des nicht vergleichbaren in den texten und den bilddokumenten. sie laesst diese widerspruechliche spanne offen, eine kluft zwischen dem rationalen paragone und dem irrationalen enigma des verlusts der vergleichsmoeglichkeiten. sie offeriert sie dem rezipienten durch die selbstdarstellung der divergierenden quellen. auf sie wird er zurueck geworfen.
briefantwort von brucella an den zellforscher j. p. gorvel: ich bin mir nicht sicher, ob ich dich mag. tatsaechlich, ich glaube nicht. du hast deine zeit damit verbracht die mechanismen zu entschluesseln, mit denen ich, brucella, das immunsystem deiner spezies taeuschen kann. es ist eine sehr alte schlacht. ich wuerde sie sogar krieg nennen und, um ehrlich zu sein, ich bin nicht sicher, ob du diesen gewinnen kannst……..
a.r. 2020